#26 - Space Tech! - Alles über das Astronauten-Assistenzsystem CIMON und IBM Watson mit Matthias Biniok von IBM

Shownotes

Die "unendlichen Weiten des Weltraums" rücken heute ein Stückchen näher!

In dieser Episode des ITCS Pizzatime Tech-Podcasts entfernen wir uns gedanklich von der Erde und begeben uns mit Matthias Biniok, Projektleiter von CIMON und Leitender Architekt für IBM Watson (DACH) in den Weltraum! Matthias beschäftigt sich bei IBM mit Themenschwerpunkten wie: Space Tech, AI, Cloud oder Data Science und wird sein Wissen heute mit Euch teilen! Erfahrt alles über das Astronauten-Assistenzsystem CIMON und welche Technik auf Basis des IBM KI-Programms Watson dahinter steckt.


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Redaktion: Katharina Bauriedel & Matthias Walenda Produktion: ITCS - Umbeck & Walenda Media GmbH Moderation: Leonie Peyerl

Transkript anzeigen

Teaser:

Teaser: Immer wenn der Astronaut mit CIMON Spricht, werden die Audiodaten runtergeworfen, quasi runtergestreamt auf den Boden, in die IBM Cloud, werden dort interpretiert, es wird eine Antwort gefunden, es wird irgendeine Aktion angetriggert und das wird wieder hoch auf die Raumstation quasi zurückgespielt.

Leonie:

Hi Leute, herzlich willkommen zu einer brandneuen Episode des ITCS Pizzatime Tech Podcasts. Heute wird’s abgespacet. Wir haben nicht nur ein total spannendes und hochinteressantes Thema, sondern wir begeben uns gedanklich quasi wirklich in den Weltraum. Ihr habt es bereits am Titel dieser Episode erkennen können: Heute sprechen wir über das Thema Space Tech. Nicht nur unsere Eltern, sondern auch die meisten von uns sind in ihrer Kindheit mit der utopischen Vorstellung von KI-Weltraumassistenzsystemen à la R2-D2 aufgewachsen, oder? Was ist, wenn ich euch sage, dass diese Fantasie schon seit einiger Zeit Realität geworden ist? Wie kann man sich das Ganze vorstellen und was steckt eigentlich dahinter? Das und noch viel mehr dürfen wir heute aus erster Hand von niemand geringerem als Matthias Biniok erfahren. Matthias ist unter anderem für die IBM Themenschwerpunkte AI, Data Science und Space Tech verantwortlich. Als wäre das nicht schon genug, ist er außerdem der Projektleiter von dem Airbus und IBM Projekt CIMON und leitender Architekt für IBM Watson in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ihr merkt also schon, Matthias weiß genau, wovon er spricht und wird in diesem Podcast seine fachliche Expertise ungefiltert und ganz direkt mit uns teilen. Was hinter CIMON und Watson steckt, wird Matthias euch am besten selbst erzählen. Und ohne viele weitere Worte zu verlieren, würde ich sagen, dass wir direkt in das Interview mit Matthias von IBM zum Thema Space Tech einsteigen. Viel Spaß.

Stefan:

Ja, jeder von euch ist bestimmt schonmal mit Science-Fiction in Berührung gekommen und egal, ob das Star Trek oder Kubrik: „2001“ war, überall gibt es sprechende und vor allem mitdenkende Computer, wir denken da an HAL oder an den Marvin aus „Per Anhalter durch die Galaxis“, auch wenn der etwas depressiv war, war der auch besonders schlau. Das ist natürlich alles Zukunftsmusik gewesen, aber wir nähern uns hier ein Bisschen an. Und darüber erzählt uns heute etwas der Matthias Biniok von IBM. Hallo Matthias.

Matthias:

Matthias: Hallo!

Stefan:

Stefan: Ja, was ich gerade so beschrieben habe, ist keine wirkliche Science-Fiction mehr. Die Realität hat die Fiktion eingeholt und seit November 2018 habt Ihr das erste künstliche Assistenzsystem im Einsatz, das jetzt auch schon ins All geflogen ist. Erzähl uns mal, was sich hinter CIMON, CIMON mit „C“, verbirgt.

Matthias:

Matthias: Ja gern. Also, aus Science-Fiction ist quasi Science-Fact geworden, könnte man sagen. Wir haben im Jahr 2018 den ersten autonomen, freifliegenden Astronautenassistenten auf die Internationale Raumstation gesendet, der dort mit den Astronauten zusammenarbeitet. Und dieser Astronautenassistent ist ausgestattet mit künstlicher Intelligenz, sodass die Astronauten entsprechend mit dem Assistenten tatsächlich arbeiten können. Das Projekt ist ein Projekt, das gemeinsam von Airbus und IBM für das deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, für das DLR umgesetzt wurde, im Rahmen eines Fundings vom Bundesministerium für Wirtschaft. Und natürlich waren auch noch viele andere Partner dabei, also wir hatten zum Beispiel das LMU Klinikum als Partner dabei, Biotask in der Schweiz als Operator unserer Experimente mit CIMON. Also es ist ein sehr, sehr schön kollaboratives Projekt und bin da auch sehr stolz drauf, dass wir hier in Europa, quasi in Deutschland auch insbesondere, ein Bisschen Raumfahrtgeschichte geschrieben haben, weil wir tatsächlich den ersten freifliegenden, autonomen Assistenten auf der Raumstation haben, CIMON. Und CIMON steht für Crew Interactive Mobile Companion.

Stefan:

Stefan: Und das heißt auf Deutsch ungefähr vom Sinn?

Matthias:

Matthias: Ungefähr quasi ein crewunterstützender, interaktiver Astronautenassistent, könnte man sagen – mobiler Assistent. Das ist das, was CIMON darstellt. Man kann sich CIMON vorstellen als fliegende Kugel.

Stefan:

Stefan: Also das heißt, CIMON ist nicht nur ein freifliegendes System, weil er in ner Raumkapsel fliegt, sondern er ist selber wirklich freifliegend. Auf Bildern sieht man ja auch, das ist, ja, ne Kugel in ungefähr Medizinballgröße mit nem kleinen Monitor.

Matthias:

Matthias: Richtig, genau, ja. Also er ist komplett autonom freifliegend. Es ist nicht so, dass der irgendwo an ner Wand befestigt ist und dann redet man mit ihm, oder er wird irgendwie ferngesteuert von der Erde, um irgendwo hinzufliegen, sondern er fliegt komplett autonom.

Stefan:

Stefan: Also er schwebt nicht nur im Raum, da, wo die Astronauten ihn haben wollen, sondern er fliegt dann auf Wunsch auch hinter dir her, oder dahin, wo er gerade gebraucht wird.

Matthias:

Matthias: Genau, richtig, ja, dass ist das unglaubliche daran.

Stefan:

Stefan: Wie bewegt er sich? Also ich mein, wie wird er angetrieben in der Schwerelosigkeit?

Matthias:

Matthias: Mit kleinen Ventilatoren tatsächlich. Also mit so Ventilatoren, wie sie auch in Drohnen drin sind. Da sind 14 kleine Ventilatoren in wie so kleinen Röhren, die durch CIMON durchgehen. 7 Röhren sind das und auf jeder Seite der Röhre gibt’s dann eben so’n Ventilator, so’n kleinen Fan, und diese 14 Fans treiben dann CIMON an. Er nutzt die dann eben, um sich im Raum in die verschiedenen Dimensionen zu bewegen. Das heißt, er kann sich selbst bewegen, er kann nach oben und unten, er kann sich nach vorne, nach hinten… Also in jegliche Dimension im Raum kann er sich dann quasi umherbewegen, was natürlich um einiges schwieriger ist, als ein reines Auto, sag ich mal, weil das Auto bewegt sich ja quasi nur nach vorne, links/rechts. Wenn jetzt noch ne zusätzliche Dimension dazukommt, oben/unten und dann auch noch ne Rotation von CIMON selbst, weil er muss sich ja immer ausrichten anhand der Gesichter der Astronauten, um sie auch anzuschauen. Da kommt natürlich nochmal ne extreme Komplexität mit rein und dieses System, das wurde von Airbus Defence and Space in Deutschland gebaut und es nennt sich das „Guidance Navigation and Control System“, GNCS von CIMON.

Stefan:

Stefan: Was macht er denn konkret an Bord? Also er wird ja nicht nur zur Unterhaltung da sein, oder um irgendwelche Daten aufzunehmen, sondern er ist ja ein richtiges interaktives System, also wo unterstützt er die Astronauten?

Matthias:

Stell dir vor, du bist ein Astronaut auf der Raumstation. Deine Hauptaufgabe als Astronaut auf der Raumstation ist Forschung. Forschung bedeutet: Du hast ganz viele Experimente, die du täglich durchführen musst, wirklich. Wenn die da oben sind, die müssen in der Zeit, während sie dort auf der ISS sind, hunderte Experimente durchführen. Und für jedes Experiment wirst du natürlich irgendwie vorher so ein bisschen gebrieft, aber du kannst nicht alles wissen über jedes Experiment und vor allen Dingen bist du nicht in der Tiefe quasi drin in der Forschung. Das heißt, es gibt für jedes Experiment entsprechende Prozeduren, die die Astronauten dann da oben quasi abarbeiten. Und diese Prozeduren sind häufig gespeichert einfach als PDF-Dokumente auf nem Laptop, der irgendwo an der Wand der Internationalen Raumstation befestigt ist. Oder wenn sie Glück haben, dann haben sie ein Tablet, das sie benutzen können, wo die Prozeduren drauf sind. Das ist natürlich teilweise sehr, sehr langwierig, dort jetzt ein PDF-Dokument aufzumachen, da durchzuscrollen und entsprechend dann eben einen nächsten Schritt zu finden, oder die Information zu finden, die man jetzt braucht. Und da ist CIMON jetzt eine Unterstützung, weil mit CIMON kann ich komplett handfrei arbeiten. Das heißt, ich kann erstmal sagen: „CIMON, komm mal her. Mach mal deinen Bildschirm an und öffne mal die Kristallisationsprozedur vom Experiment XY“. So und CIMON macht das dann, öffnet das und dann kann ich durch diesen Prozess durchgehen und sagen: „CIMON, was ist denn der nächste Schritt? Was für ein Werkzeug muss ich denn jetzt gerade benutzen in diesem Kontext?“ Oder: „Warum benutze ich eigentlich gerade Teflon und nicht irgendein anderes Material?“ Und CIMON ist in der Lage, all diese Fragen zu beantworten.

Stefan:

Stefan: Das ist ja jetzt erstmal ne klassische Assistententätigkeit, also Dinge anreichen und auch aufnehmen, aber es passiert ja wahrscheinlich noch ein bisschen mehr. Also CIMON wird ja wahrscheinlich auch Daten verarbeiten und auf Datenbanken, auf mehr Wissen zurückgreifen. Was passiert da im einzelnen und wie findet da die Kommunikation statt? Weil ich denke mal das ist ja auch nicht alles in der ISS gespeichert, sondern unter Umständen sind ja auch Informationen von der Erde benötigt.

Matthias:

Richtig, genau. Also wir haben ein relativ komplexes System aufgebaut von der Kommunikation von CIMON selbst, was er on-board verarbeitet und auf der anderen Seite natürlich auch bestimmte Funktionalitäten, die nicht an Bord der ISS, sondern am Boden, auf der Erde stattfinden. Und man kann sich das so vorstellen: Die Prozeduren selbst sind quasi antrainiert und können relativ einfach in das System eingespeist werden. Das heißt, wenn ein neues Experiment kommt, kann CIMON das sehr, sehr einfach lernen, also um’s mal so auszudrücken. Die ganze KI-Funktionalität, also dass ich mit ihm spreche, dass überhaupt erstmal mein Audio verstanden wird, also Sprache zu Text umgewandelt wird, dieser Text dann interpretiert wird, also: Was bedeutet das, was der Astronaut jetzt gesagt hat? Was ist jetzt eine Folgeaktion, die daraus folgt? Und natürlich dann auch die Antwort, also die Synthetisierung von Text wieder in Sprache, also dieser ganze Weg, der findet komplett auf dem Boden statt. Und zwar, und das ist für mich als Techie die spannende Sache: Wir haben eine Internetverbindung von der Internationalen Raumstation über nen Satelliten auf eine Ground Station in Luzern in der Schweiz, von der Ground Station in die IBM Cloud in Frankfurt, in Deutschland und den kompletten Weg wieder zurück. Und immer wenn der Astronaut mit CIMON Spricht, werden die Audiodaten runtergeworfen, quasi runtergestreamt auf den Boden, in die IBM Cloud, werden dort interpretiert, es wird eine Antwort gefunden, es wird irgendeine Aktion angetriggert und das wird wieder hoch auf die Raumstation quasi zurückgespielt.

Stefan:

Stefan: Das würde bedeuten, dass bei nem komplexeren Raumflug, also ich sag mal, man überlegt ja zurzeit auch, mal wieder zum Mond zurückzukehren und ich flieg jetzt mit meiner Raumkapsel um den Mond rum und verlier die Verbindung zur Erde. In dem Moment wär CIMON für mich dann auch nutzlos, beziehungsweise nicht nutzlos, aber würde zumindest solche komplexen Sachen, wo es dann auf solche Hintergrundinformationen angewiesen ist, nicht mehr bearbeiten können.

Matthias:

Korrekt. Ja, also aktuell ist es so, dass wir eben auf die Internetverbindung angewiesen sind. Natürlich wäre einer der nächsten Schritte, zu sagen: „Wir möchten die KI-Komponenten auch offline auf dem Raumschiff quasi zur Verfügung stellen.“ Das ist tatsächlich auch möglich mit den IBM Watson Services, die kann man offline on-premise deployen oder auch in anderen Clouds deployen. Und das wäre dann natürlich ein logischer nächster Schritt, wenn es Richtung Mond oder Mars geht, weil wenn Richtung Mars hab ich dann ne Latenzzeit von, ich glaub‘ 20 Minuten, bis ich da ne Antwort bekommen würde von CIMON, das geht natürlich nicht und da ist auch das Risiko, dass da ein Loss of Signal quasi auftritt, ist da viel zu hoch. Das heißt, das ist ein logischer, konsequenter Schritt, aber auf der anderen Seite ist CIMON selbst aktuell natürlich nur ein sogenannter Technologiedemonstrator. Das heißt, er wird jetzt noch nicht produktiv von den Astronauten jeden Tag eingesetzt. Da müssen ganz andere Schutzmaßnahmen noch ergriffen werden, da muss er noch viel öfter beweisen, dass er wirklich nicht gefährlich ist, keine gefährlichen Dinge bei den Astronauten auslöst. Also da gibt’s hunderte von Aspekten, die man noch mitberücksichtigen muss, um so’n System überhaupt produktiv zu schalten. Das heißt, aktuell sind wir noch relativ am Anfang, wobei mit CIMON 2 haben wir jetzt auch schon den nächsten Schritt getan in eine Produktisierung eines solchen Systems.

Stefan:

Stefan: Das heißt, es besteht keine Gefahr, dass CIMON irgendwann mal sagt „Das Gespräch hat keinen Zweck mehr“ und die Kommunikation mit den Astronauten abbricht, so wie wir das von HAL aus 2001 kennen.

Matthias:

Matthias: Nee, tatsächlich nicht, also aber was vielleicht ganz witzig ist, ist wenn man CIMON fragt, dass er doch bitte die port bay doors öffnen soll, dann sagt er „I’m afraid, I cannot do that.“ Also ein bisschen Anspielungen sind natürlich auch mit drin.

Stefan:

Stefan: Ja, Kenner werden sich erinnern.

Matthias:

Aber CIMON ist extrem so aufgebaut, dass die ethischen Aspekte nicht vernachlässigt werden können und dass auch immer die Möglichkeit besteht, CIMON entsprechend auszustellen und so weiter. Da haben wir ganz eng zusammengearbeitet zum Beispiel auch mit dem LMU Klinikum in München mit den entsprechenden Wissenschaftlern dort, um genau das sicherzustellen. Also ein Beispiel, ein ganz praktisches Beispiel ist, klar, er hat einfach nen Aus-Knopf. Ich drücke hinten drauf und CIMON ist aus, komplett aus. Da geht nix weiter. Und, um das Ganze auch noch ein bisschen netter zu gestalten, weil man möchte vielleicht auch in bestimmten Situationen einfach nur, dass CIMON nicht zuhört. Da kann ich einen Knopf drücken, einen haptischen Knopf, der die komplette Verbindung zur KI, zu allem ausschaltet. Also ich als KI-Experte, ich kann sagen: „CIMON kann nicht irgendwas machen, oder sich selbst irgendwas ausdenken.“ Einfach, weil ich ganz genau weiß, wie er programmiert ist und dass das keine Magie ist. Aber natürlich ist das auch ein psychologischer Faktor, dass man dort so einen haptischen Knopf mit einbauen kann, um zu sagen: „Jetzt ist CIMON komplett von der KI, vom Internet und so weiter getrennt.“

Stefan:

Stefan: Jetzt hast Du vorhin schon Watson erwähnt. Also CIMON, bei aller Bewunderung, ist ja dann letztendlich doch nur ein Endpunkt von einer anderen Technologie von IBM, die unter dem Namen Watson auch schon länger bekannt ist, aber es kennt nicht jeder. Was können sich die Zuhörer darunter vorstellen?

Matthias:

Also IBM Watson hat angefangen als ein Projekt, im Jahre 2011 wurde es das erste Mal vorgestellt, da hat Watson, ein Computersystem, was natürliche Sprache verarbeiten konnte, das erste Mal Menschen geschlagen in einem Spiel namens Jeopardy. Da muss man die Frage finden auf vorgegebene Antworten. Ist also ein Bisschen so „um die Ecke denken“ und ja, Watson hat das haushoch gewonnen, das Spiel. Und das war so ein erster Durchbruch in der KI: Hey, die KI kann jetzt wirklich menschliche Sprache gut verstehen. Und wir haben das ausgebaut in eine Plattform von verschiedenen KI-Services, die für ganz verschiedene Anwendungsfälle eingesetzt werden können. Das heißt, da gibt’s Services, die beschäftigen sich mit dem Thema Bilderkennung, also was sehe ich auf einem Bild? Was sehe ich auf einer Kamera? Da gibt’s Services, die beschäftigen sich eben mit Spracherkennung, was auch in CIMON mit drinsteckt, oder Emotionserkennung, mit der Analyse von Persönlichkeiten, oder eben mit der Klassifizierung von Dokumenten und Text. Also es dreht sich sehr, sehr viel um unstrukturierte Daten und unstrukturierte Daten als Definition ist quasi alles, was man nicht irgendwie in ne Tabelle stecken kann. Also Excel, das sind strukturierte Daten. Datenbanken: strukturierte Daten. Aber sowas wie Videos, Bilder, Audiodateien, Sprache, Dokumente, das sind unstrukturierte Daten. Und die ganzen Watson Services, die wir dort als Plattform anbieten, die sind eben besonders gut in der Lage, mit solchen Daten, mit solchen unstrukturierten Daten umzugehen.

Stefan:

Stefan: So spannend Weltraumfahrt ist, ist das ja nicht der einzige Anwendungsbereich. Du hast jetzt gerade ja auch schon viele Beispiele genannt. Was macht Ihr mit Watson noch? In welchen Geschäftsfeldern seid Ihr da tätig?

Matthias:

Im Grunde könnte man sagen: „In jedem Geschäftsfeld, was es so gibt.“ Also wir haben beispielsweise ganz viele Anwendungsfälle im Bereich Banking, im Bereich Versicherung, im ganzen Automobilbereich natürlich, Energy and Utility, also im Grunde alles, auch im öffentlichen Bereich. Überall gibt es Anwendungsfälle für KI. Also unsere Voraussage wird auch sein, dass KI irgendwann überall zum Einsatz kommt. Dadurch, dass KI ja im Grunde nichts anderes ist als maschinelles Lernen und die Anwendung von Expertensystemen ist ja auch in gewissem Rahmen KI schon in ganz vielen Bereichen im Einsatz, aber diese neueren KI-Methoden, die jetzt in den letzten Jahren gerade erst größer geworden sind, oder zusätzlich entwickelt worden, die werden in jeder Industrie Einsatz finden und da sind wir ganz, ganz stark unterwegs. Zum Beispiel es gibt so ne App von Mercedes, „Ask Mercedes“ heißt die. Da kann man eben auch über augmented reality in seinem Cockpit schauen, was jetzt irgendwie ein gewisser Knopf meint, oder was ne Signallampe bedeutet und dann kann ich eben auch mit nem Bot sprechen oder schreiben und kann dort mir ne Antwort geben lassen auf meine Fragen. Das sind eben so typische Anwendungsfälle, die schon relativ ähnlich sind zu dem, was wir mit CIMON machen und die tatsächlich auch die gleiche Technologie nutzen, in dem Fall Watson speech to text, Watson Assistant und Watson text to speech, also letztendlich genau das, was wir auch mit CIMON machen.

Stefan:

Die Kritik an den Begriffen AI und KI kommt ja zuletzt daher, dass eben diese Kritiker sagen: „Das ist ja eigentlich nur ne sehr schnelle Verarbeitung von ganz vielen Daten, aber da ist keine eigene Intelligenzleistung enthalten.“ Da kann man sicher lange drüber philosophieren und letztendlich bleibt es dann beim Streit über Begriffe, aber ihr habt mit der zweiten Version von CIMON ja vor, durchaus schon emotionale Fähigkeiten und, naja, auch einfach das Thema Einfühlsamkeit, menschliche Emotionen dort mit reinzubekommen. Ist das der nächste Schritt, der wegführt von diesem reinen, kalten Datenverarbeitungssystem?

Matthias:

Ich würde erstmal sagen nein. Grundsätzlich ist es so: Die künstliche Intelligenz ist wirklich ein extremes Feld, wo extrem viel Keyword und Buzzword rumfliegen, sodass man überhaupt gar nicht weiß, was eigentlich damit gemeint ist. Also ganz einfach kann man’s so definieren: Künstliche Intelligenz gibt’s schon seit wirklich Jahrzehnten. Was dahinter steckt ist nichts anderes als: Ich möchte versuchen, bestimmte Daten zu verstehen, um entweder ne Klassifizierung durchzuführen, also quasi zu verstehen, was damit gemeint ist, oder eine Prädiktion zum Beispiel durchzuführen, oder ein Muster zu erkennen. Und das ist nichts neues, das haben wir schon wirklich seit Jahrzehnten durchgeführt. Warum jetzt KI so in aller Munde ist, ist dass wir plötzlich viel mehr Daten haben, das ist das eine, dass wir plötzlich unstrukturierte Daten viel besser durch bestimmte Algorithmen verstehen können, das ist das zweite, und natürlich: Wir haben viel, viel mehr computing power. Und durch diese computing power können wir natürlich jetzt sehr, sehr mächtige Algorithmen lange durchlaufen lassen, um dann dem Algorithmus bestimmte Dinge beizubringen. Es ist also überhaupt keine Magie. Und auch wenn wir jetzt irgendwelche neuen Schritte gehen in Richtung reinforcement learning und so weiter und so fort, was da jetzt aktuell alles im Einsatz ist, ist ganz viel einfach nur auf Basis der Daten. Das heißt, wenn meine Trainigsdaten nicht stimmen, dann ist auch die KI genauso dumm wie wir, wenn wir nichts gelernt haben, quasi. Das heißt, meiner Meinung nach müssen wir uns darüber aktuell keine Sorgen machen, sondern viel mehr die Möglichkeiten, die uns jetzt diese neuen Technologien geben, ein Bisschen erforschen. Und es gibt bestimmte Bereiche, wo wirklich erforscht wird, was so das ganze Thema Schlussfolgerung, reasoning, wie können wir symbolische, mit solcher statistischen KI quasi verbinden, um da echte Intelligenz herzustellen? Aber meiner Meinung nach sind wir da noch recht weit von entfernt, also da bin ich gespannt, wie sich das in der Zukunft entwickelt. Zurück zu CIMON 2: Dort, wie du gesagt hast, beschäftigen wir uns auch mit Emotionsanalyse, letztendlich ist diese Emotionsanalyse aber natürlich auch nur ein weiterer Anwendungsfall im Bereich natural language processing, also Verarbeitung von natürlicher Sprache. Wir versuchen, herauszufinden, in natürlicher Sprache: Was steckt da drinne an Informationen? Was wird jetzt gerade von dieser Person ausgedrückt und was könnte das bedeuten? Wenn ich jetzt also so was sage wie „Ja, mir geht’s nicht so gut“, ist es relativ klar, dass da irgendwie ein negatives Gefühl drinsteckt. Wenn ich jetzt so sage „Och Mensch, oh ich freu mich schon so auf morgen, das wird so spannend“, dann ist da irgendwie Aufregung oder excitement mit drinne. Und das ist das, was der Watson Tone Analyzer quasi analysiert. Was da natürlich ein bisschen schwieriger ist, ist zum Beispiel solche Sachen festzustellen wie Ironie oder Sarkasmus, ja? Also wenn ich jetzt sage „Mensch, das war jetzt aber ein tolles Experiment“, obwohl es gar nicht so toll war und es ganz schlecht lief, dann muss ich diesen Kontext irgendwie mit einfließen lassen.

Stefan: Das heißt, CIMON freut sich dann über seine tolle Arbeit, aber in Wirklichkeit war es Kritik.

Matthias:

Matthias: Genau, richtig. Also wenn man diesen Kontext nicht mit einfließen lassen würde. Das heißt, eine unserer Aufgaben, oder einer unserer Ansätze ist, dass wir eben diesen Kontext, der quasi davor und danach mit einzuordnen ist, dass wir den mit in die Analyse aufnehmen und auf der Basis eben ne bessere Analyse durchführen können. Und da bewegen wir uns sehr, sehr stark schon Richtung, sag ich mal, so ein Bisschen emotionaler Intelligenz, aber nichtsdestotrotz lässt sich das natürlich niemals vergleichen mit menschlicher emotionaler Intelligenz. Aber trotzdem ist es so, dass natürlich solche Systeme gerade Menschen, die vielleicht in Isolation sind, oder die gerade keine guten Kontakte haben und vielleicht jemanden brauchen, mal zum Reden, oder überhaupt erstmal analysiert werden sollten, wie es ihnen geht, dass solche Systeme natürlich trotzdem dort weiterhelfen können. Von daher ist es natürlich etwas, was man nicht vergleichen kann mit emotionaler, menschlicher Intelligenz, aber nichtsdestotrotz kann es ein sehr hilfreiches Werkzeug sein, um Menschen zu unterstützen.

Stefan:

Stefan: Ich frag‘ mich an der Stelle manchmal, ob der Vergleich auch nicht hinkt. Also wie oft hat man auch ne professionelle Unterstützung? Also ich denke, zum Beispiel ein Therapeut, der mit einem Menschen spricht, natürlich hat der echte Empathie, natürlich hat der auch ein echtes Mitempfinden, aber ein Großteil seiner Reaktion ist ja auch erlernt und einstudiert, wie man auf ein bestimmtes Verhalten zu reagieren hat. Also ich frag‘ mich dann wirklich, wie künstliche Intelligenz das jemals anders machen sollte, wenn es dann eigentlich doch nur erlernte Faktoren sind. Aber damit kommen wir jetzt, glaub ich, zu sehr in den Bereich der Psychologie und Philosophie. Zurück zu CIMON. Was hat dich denn da persönlich am meisten beeindruckt? Ich denke, man verliert ja wahrscheinlich sehr schnell auch… nicht unbedingt die Faszination, aber ein Gefühl für diese unglaublichen Dinge, die sich da eigentlich tun, weil du täglich in deiner Arbeit routiniert damit konfrontiert bist, aber reißt dich da trotzdem irgendwas raus, wo du dich wirklich wieder richtig begeistern kannst?

Matthias:

Ja auf jeden Fall. Also natürlich ist es so, wie du sagst: Irgendwann ist es tatsächlich nur… „nur“ normale Arbeit. Da muss man sich immer mal wieder daran erinnern, dass man gerade künstliche Intelligenz im Weltraum macht und dass das absolut eines der spannendsten Themen, für mich zumindest, ist, woran man gerade arbeiten kann. Aber nichtsdestotrotz gibt es immer wieder Bereiche, wo ich mir dann denke: „Boah, was man jetzt noch alles machen könnte, das ist so cool“, ja? Also zum Beispiel stell dir vor, CIMON fliegt, wenn wir jetzt diesen lunar gateway zum Beispiel bauen, die Station, die um den Mond drum rum gebaut wird und dann um den Mond quasi drum rum fliegt. Und die wird nicht immer besetzt sein von Menschen, höchstwahrscheinlich. Und die Menschen müssen ja auch irgendwie schlafen und können auch nicht immer wach sein. Und bestimmte Sachen, die kann man nur messen, wenn man wirklich im Raum sich befindet, zum Beispiel irgendwelche bestimmten Dichten von irgendwelchen Stoffen, die in der Luft umherschwirren. Was wäre, wenn CIMON da einfach durchfliegen könnte, durch die Raumstation, nachts, und checken könnte, ob alles in Ordnung ist; visuell, oder eben auch durch andere Sensoren und das dann aufnehmen könnte? Das wär doch total cool, also da gibt’s wirklich, wirklich tolle Anwendungsfälle, wo ich mir vorstellen kann, wie CIMON oder weitere Versionen von CIMON im Weltraum unterstützen könnten, oder als medical assistant, wenn’s um irgendwelche Fragestellungen geht bezüglich Medizin oder bezüglich irgendwelchen Reparaturen und er dann auf einen riesigen Korpus an Wissen zurückgreifen kann und da zumindest die passenden Informationen liefern könnte. Das sind wirklich spannende Anwendungsfälle, wo ich mich immer drauf freue, dass ich die hoffentlich noch irgendwann umsetzen kann.

Stefan:

Stefan: Und das zweite Weltraumzeitalter scheint ja gerade erst richtig zu beginnen, das heißt, Dir steht da wahrscheinlich auch eine sehr interessante berufliche Zukunft bevor.

Matthias:

Matthias: Ja, ich hoffe es, also ich hab ja neben der normalen Arbeit, sozusagen mit CIMON, noch ne kleine interne Aufgabe, dass wir bei IBM eine sogenannte space tech division aufbauen, wo ich mich insbesondere mit solchen Themen beschäftige; jetzt nicht nur CIMON, sondern alles, was mit Raumfahrt und wie man Technologie in der Raumfahrt gut anwenden kann und IBM dort als top Technologieprovider zu positionieren. Das ist so ein weiteres Ziel dieser space tech division und das macht natürlich extrem Spaß, auch an solchen innovativen Themen in der Raumfahrtindustrie zu arbeiten und da freue ich mich drauf.

Stefan:

Viele unserer Zuhörer befassen sich ja gerade auch mit der weiteren beruflichen Zukunft, beziehungsweise überhaupt erstmal den richtigen Beruf zu finden, und ich könnte mir vorstellen: Viele, die als kleine Kinder noch davon geträumt haben, Astronaut zu werden und jetzt allmählich begreifen „das ist dann doch vielleicht ein bisschen zu anspruchsvoll“, könnten sich aber hier genau angesprochen fühlen. Wie kommt man zu Euch? Was muss man mitbringen?

Matthias:

Also grundsätzlich ist es so, dass es natürlich sehr, sehr viele interessante Berufsfelder im Bereich Raumfahrt gibt. Das ist dann angefangen bei Berufsfeldern wie Systemingenieuren, Projektmanagern und so weiter, also wirklich in der Raumfahrtindustrie. Aber auch in anliegenden Industrien gibt es natürlich interessante Stellen, zum Beispiel natürlich auch bei IBM oder bei anderen IT Unternehmen kann man dort beispielsweise im Bereich data science und machine learning, also das ganze Thema künstliche Intelligenz, sehr, sehr gute Chancen haben, mit solchen Unternehmen zusammenzuarbeiten. Da kann ich nur empfehlen, an jeden, der das interessant findet: Beschäftigt euch mit dem Thema, das ist alles kein Hexenwerk. Das ist zwar Mathematik und Mathematik ist vielleicht nicht Jedermann’s Sache, aber man muss ja auch nicht unbedingt der tiefste data scientist werden, der sich jetzt mit den Algorithmen dahinter extrem auseinandersetzt, sondern vielleicht reicht es aus, auch einfach mal die Algorithmen anzuwenden und da mal zu schauen: was kann man damit machen? Es gibt so viele spannende Anleitungen im Internet, wie man solche Sachen ganz, ganz einfach umsetzen kann, man kann sich kostenlos auf der IBM Cloud anmelden und kann einfach mal mit den Services rumspielen, kann seinen eigenen Bot kostenlos bauen. Warum nicht einfach mal ausprobieren? Und wenn’s einem gefällt und einem Spaß macht, dann baut man schon von ganz alleine Fähigkeiten in dem Bereich auf und kann sich eben selbst wenn man schon irgendwo vergraben ist in einem Beruf, kann man sich immer noch weiterbilden. Also ich glaube, das sollte man nicht unterschätzen, dass wenn man mit ein Bisschen Leidenschaft rangeht, dass die Sachen dann tatsächlich sehr, sehr einfach werden ab einer gewissen Stelle und dass dann opportunities, Möglichkeiten für coole neue Jobs von ganz alleine kommen.

Stefan:

Stefan: Spannende Aussichten! Ich bedanke mich bei Matthias Biniok für dieses interessante Gespräch und gebe zurück ins Studio.

Leonie:

Na, das war mal sehr interessant und auch wirklich inspirierend. An dieser Stelle vielen Dank, Matthias und Stefan für das tolle Interview. Schon echt krass, zu hören, an welchen Projekten IBM da arbeitet. Ich find’s super, dass man sich darunter jetzt auch wirklich etwas vorstellen kann. Mal sehen, was die Zukunft so bringt. Vor 50 Jahren hätte bestimmt noch keiner mit CIMON oder Watson gerechnet. Was meint ihr, was 2070 alles in Sachen space tech möglich sein wird? Schreibt uns doch einfach auf Social Media oder auch gerne in Form einer Bewertung direkt unter diesen Podcast. Wer jetzt Lust hat, noch mehr zum Thema space tech zu erfahren, der schaut am besten einfach mal in die Beschreibung dieser Podcast Episode. Dort findet ihr ein paar weiterführende Links zu diesem Thema. Folgt uns außerdem unbedingt auf Instagram und Co., um kein ITCS Update mehr zu verpassen, denn glaubt mir: Es steht großes bevor. Ich sag nur so viel: Auch im ITCS Universum tut sich was. Dann bis dahin, bleibt gesund und wir hören uns nächste Woche wieder.

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